Er setzte sich auf den gemauerten Rand des Brunnens am Marktplatz und wartete auf sie. Neugierig und voller Spannung. Er gestand sich ein, eigentlich noch nie auf eine Frau so neugierig gewesen zu sein, wie dieses Mal. Auf seine zugegebenermaßen ziemlich einfallslose Anzeige hatte sie so originell und so verlockend geantwortet, dass er zunächst laut gelacht und dann gleich das Date fest gemacht hatte. Nun überkam ihn fast so etwas wie Angst vor der eigenen Courage. Die uralte Angst der Männer vor Frauen, die ihnen vielleicht überlegen sein könnten. Was, wenn sie zu schlau war? Die Neugier behielt ihn auf seinem Platz.
Auf seine Zeilen in der Kontaktanzeigenrubrik des einschlägigen Online-Portals: „Gut gebauter Automechaniker mit Händen, die zupacken können, sucht willige Sie“, hatte sie schlagfertig zurück geschrieben: „ Prima – mein Fahrgestell müsste dringend mal durchgecheckt werden und meiner Karosserie könnte eine Politur auch mal wieder gut tun. Ich hoffe Ihr Angebot schließt eine Spritztour mit ein und ich freue mich auf eine Testfahrt mit Ihnen!“
Heute also stand die besagte Testfahrt an. Schon von Weitem erkannte er sie, ohne vorher gewusst zu haben, wie sie überhaupt aussah. Sie hatten lediglich ausgemacht, dass er am Brunnen auf sie warten würde. Die Art ihres aufreizenden Ganges, ihre auffällige Erscheinung passte so gar nicht in das Bild dieser biederen Kleinstadt, die nur im Verborgenen ihren Gelüsten freien Lauf ließ und an der Oberfläche stets scheinheilig den Eindruck von Ordnung und Sittsamkeit wahrte.
Stahlblaue Haare, zerrissene Jeans und hochhackige Lederstiefel passten nicht ins Bild dieses bürgerlichen Marktplatzes, auf dem auch noch gerade der Wochenmarkt stattfand. Sie trug ein sehr enges, weißes Feinrippunterhemd, das eigentlich für Männer gedacht war und darunter zeichneten sich deutlich gepiercte Brustwarzen ab. Sie zog alle Blicke auf sich, als sie durch die Marktstände selbstbewusst an alten Damen mit Handtaschen und Herren mit Hut und kleinen Hündchen marschierte.
Sie erregte ihn spontan und zugleich machte er sich – ganz Bürger dieser Stadt – einen Moment lang Sorgen, mit ihr gesehen zu werden.
Sie kannte diesen Blick und es erheiterte sie. Sie hatte Erfahrung mit Anzeigen der Art, wie er sie verfasst hatte: Der etwas ungelenke Versuch originell zu sein und für einen Augenblick aus der bürgerlichen Enge zu entfliehen. Sie würde ihm schon auf die Sprünge helfen.
Auch sie war angenehm überrascht von dem Anblick, den er bot: Groß, braungebrannt und muskulös verriet er eine Arbeit, die einen Mann eher körperlich fordert als geistig. Genau das, was sie suchte! Sie stellte ihn sich in Unterhemd und Blaumann vor, nach Schmieröl und Benzin riechend, anstatt in Oberhemd und gebügelter Hose, wie er nun vor ihr stand. Es hätte eindeutig schlimmer kommen können. Sie mochte, was sie sah.
Nach Öl und Maschinen roch er tatsächlich, trotz sorgfältiger Dusche und Rasierwasser. Sie nahm es zufrieden zur Kenntnis, strahlte ihn mit umwerfend freundlichen und zugleich animalisch wilden blauen Augen an und lud ihn ohne lange Umschweife auf einen Kaffee ein. Obwohl auf einen schnellen Fick ohne anschließenden Beziehungsterror bedacht, wusste sie doch ein solches Abenteuer gebührend einzuleiten. Erleichtert nahm er an. Er war im Umgang mit Frauen nicht unsicher, aber diese verlangte ihm deutlich mehr ab, als die leichten, wenig anspruchsvollen Mädchen, mit denen er sich für gewöhnlich abgab. Sie versprach ein echtes Abenteuer zu werden!
Die Unterhaltung verlief locker, leicht und war so wenig verkrampft, wie die beiden selbst. Schnell hatten sie ein gemeinsamen Thema gefunden – ihre Liebe zu schnellen Autos und heißen Maschinen, zum Rennsport und eine Überleitung zum eigentlichen Grund ihres Treffens war schnell hergestellt.
Sie zahlten, gingen und fuhren mit ihren Bikes zu seiner Werkstatt, die an diesem Nachmittag für Kundschaft geschlossen war. Drinnen war es angenehm warm und für ihr Treffen bereits bestens vorgesorgt, wie sie mit Kennerblick feststellte. Auf einem abgewetzten Ledersofa im hinteren Teil des Raumes lag ein sauberes Laken, und mehrere Kissen. Auf einem Tischchen daneben standen eine Flasche Sekt und Gläser. Romantisch war es gerade nicht, aber das hätten beide auch nicht gewollt.
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Bilder von Jennifer Juniper über Flickr mit CC BY 2.0 Lizenz
Ich bin eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin und Wortakrobatin. Meine Reise als Autorin begann in meiner Kindheit, umgeben von Büchern und inspiriert von den unzähligen Welten, die sie enthüllten. Meine Werke sind ein Spiegelbild meiner Fantasie – eine Mischung aus Realität und Traumwelt, in der die Charaktere zum Leben erwachen und Leser auf eine emotionale Achterbahn mitnehmen.