Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig

Sie hatten den Tag am Strand verbracht. Stundenlang nebeneinander in der Sonne gelegen und sich abwechselnd Kapitel aus ihrem neuen Lieblingsroman vorgelesen. Zwischendurch hatten sie ruhig ihre Runden durch den kleinen See gezogen und an der Pommesbude zu Mittag gegessen.
Nun ging langsam die Sonne unter und es wurde im Schatten schon recht kühl. Sie suchten ihre Sachen zusammen und freuten sich auf den langen Abend, der vor ihnen lag.

Sie kannten sich ewig und waren ein eingeschworenes Team. Die Unzertrennlichen, das Traumpaar. Zugegeben: Die große unersättliche Leidenschaft war es nicht mehr, die die beiden so eng zusammenhielt. Aber an die Stelle der Schmetterlinge im Bauch war mit den Jahren etwas viel Größeres getreten: Die Sicherheit, sich blind aufeinander verlassen zu können, das Bewusstsein gleicher Ansichten und Erwartungen an das Leben und eine tiefe Vertrautheit in allen Lebenslagen. Das Leben, dass sie sich aufgebaut hatten in der langen Zeit ihres Zusammenseins, war es wert weiter zu bestehen auch jenseits von wildem Verlangen aufeinander.
Es war für sie keine Frage des „sich Abfindens“ gewesen, als sie merkten, dass mit den Jahren eine gewisse erotische Anziehungskraft verloren ging. Sie waren in der Lage gewesen, es mit Natürlichkeit und Gelassenheit hinzunehmen, ohne sich dem Druck der Gesellschaft nach immerwährender erotischer Bereitschaft zu beugen.

Dennoch hatten beide keineswegs den Spaß am Sex verloren! Er spielte nach wie vor eine große Rolle in ihrem Leben. Sie waren schließlich nicht alt, sondern nur etwas eingleisig gefahren in all den Jahren. Ihre Art damit umzugehen hatte ihre Bekannten verwundert, die Familie verstört und bei den Nachbarn gemischte Gefühle hervor gerufen.
Nachdem sie es leid geworden waren, stets heimlich und bis zur Unkenntlichkeit mit Brille, Mütze und Schal verhüllt durch die Stadt zu laufen bis in „ihre“ Straße, bis in „ihren“ Club, hatten sie eines Tages den Mut gefasst, sich mit aller Selbstverständlichkeit als passionierte Swingerclub-Gäste zu outen. Sie waren selbstbewusst genug, sich von den Reaktionen nicht schocken zu lassen, sondern sie mit Humor zu nehmen.

erotische geschichte - wenn schon nicht für immer dann wenigstens für ewig

Mäßig, aber regelmäßig besuchten sie seitdem ihr Stammlokal und gehörten schon zu den ersten Gästen seit der Eröffnung dieses Etablissements. Man kannte sich und die Gepflogenheiten des Hauses, man achtete Vertrautes und begrüßte Neues.

Nach dem Badetag zu Hause angekommen wurde aus dem Reihenhaus-Vorstadt-Vorzeige-Ehepaar eine heiße Lederbraut und ihr immer noch gutgebauter Macker. Sie nahmen sich viel Zeit für ihre Verwandlung und genossen es, den anderen zu begutachten, Tipps zu geben und zu bewundern. Sie waren immer sehr stolz aufeinander, wenn sie dann aufbrachen und kurze Zeit später am Ziel ankamen.

Wie jeder, der hier zur Tür hereinkam, ernteten auch sie die Blicke aller, die schon da waren. Man machte sich in Sekundenbruchteilen ein Bild davon, was ins eventuell zur eigenen Vorstellung passte oder nicht.
Sich hier von der erotisch aufgeladenen Atmosphäre, vom diesem Ambiente, das dunkel-süße Verheißung versprach, verführen zu lassen, war leicht. Je länger man sich kannte, desto einfacher war es, Normen und Tabus einer Gesellschaft, die die Werte einer überkommenen Sexualmoral propagierte, einfach vor der Tür zu lassen.
Sie setzten sich zu Bekannten an einen Tisch und berichteten sich das Neueste der vergangenen Tage. Klatsch und Tratsch aus dem Viertel.

wenn schon nicht für immer dann wenigstens für ewigSie ging Tanzen und er beobachtete sie dabei. In ihren aufreizenden Kleidern, dem sanften Licht und der unbändigen Lebensfreude, die sie ausstrahlte, wirkte sie wie ein junges Mädchen. Und wieder wurde ihm bewusst, wie sehr sich das Lebensgefühl auf die Empfindung von Alter auswirkt.
Sie war seine Göttin und er konnte sich sicher sein, für sie nicht weniger bedeutsam zu sein.

Von seinen Gefühlen übermannt, gesellte er sich zu ihr und begann ebenfalls zu tanzen. Eine Frau in weißen Dessous machte ihm eindeutige Avancen und er erlag sehr bald ihren unübersehbaren Reizen. In diesen Momenten konnte er keinen Widerspruch erkennen zwischen wildem Verlangen nach dem Körper der einen und den tiefen Gefühlen für die andere. Das einzige, was ihn daran etwas irritierte, war, dass er diese Empfindung sich selbst zwar unumwunden zugestand, weit weniger gern aber seiner Frau. Er akzeptierte es im Zuge der Gleichberechtigung zwischen ihnen. Schließlich verschaffte ihm die Befriedigung seiner sexuellen Wünsche.
Während er sich mit seiner neuen Eroberung amüsierte, ließ er seine Frau nicht aus den Augen. In einem hinteren Winkel des Raumes ließ er sich von der Dame in Weiß lustvoll ins Kondom helfen und seinen zum Platzen steifen Schwanz mit geschickter Zunge liebevoll verwöhnen. Er fasste sie an den Haaren, wühlte wild darin herum und hatte dabei doch nur Blicke für die Frau, die noch immer auf der Tanzfläche zwischen zwei fremden Männern ihren Körper erotisch im Takt der Musik hin und her bewegte.

Was ihn dabei am meisten bewegte, war dass sie auf andere Männer, auf die „Konkurrenz“ so attraktiv wirkte. Es machte ihn stolz zu sehen, wie man sie begehrte. Gleichzeitig konnte er sich niemals des leisen Anflugs von Eifersucht erwehren, der ihn jedes Mal dabei überkam. Modern und aufgeschlossen akzeptierte er es, biologisch aber ganz Mann konnte er das Bedürfnis nach Kontrolle doch nie ganz ablegen. Tief in seinem Inneren gehörte sie ihm. Nur ihm. Dass er sie bei ihrem Treiben beobachten konnte, half ihm die Situation im Griff zu halten.

Sie hatte weit weniger Probleme damit. Die Freizügigkeit, die sie genoss, gestand sie auch ihm in vollstem Umfang zu. Sehr gerne mochte sie allerdings, wenn sie sich trotzdem dabei ganz nah waren. Natürlich wusste auch sie in jedem Moment genau wo er gerade war und was er tat.
So packte sie schließlich einen der männlichen Appetithäppchen an der Krawatte, die er als einziges Kleidungsstück auf dem nackten, muskulösen Oberkörper trug und zog ihn mit sich in die selbe Ecke auf das selbe breite Sofa.

Glücklich und erregt strahlte sie ihren Mann an und erntete sein erleichtert seliges Lächeln, das sie so sehr mochte, seit sie ihn das allererste mal gesehen hatte. In dieser Liaison zu viert genossen sie ihr Beisammensein und zugleich die Abwechslung vom alltäglichen. Fickten und ließen sich ficken, liebten sich und kosteten den süßen Schmerz der Eifersucht. Erlebten aufregende Abenteuer in einem wilden orgiastischen Ritt durch die Nacht und fielen sich schließlich erleichtert in die Arme. Sie strichen sich die schweißnassen Haare aus den Gesichtern, küssten ihre geschlossenen Augen und schworen sich ewige Treue.

 

Bilder von Onkel Otto Bar Mannheim und Tom Godber und Mahalie Stackpole über Flickr mit CC BY 2.0 Lizenz

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